April 2009

IZA Standpunkt Nr. 5: Kurzarbeit: Sinnvoller Konjunkturpuffer oder verlängertes Arbeitslosengeld?

published in: Wirtschaftsdienst, 2009, 89 (5), 322-328 (French version in: Regards sur l'Economie Allemande, 2009, 90, 23-30)

Angesichts der gegenwärtigen Rezession hat die Politik in Deutschland die Leistungen der Kurzarbeit ausgeweitet, indem Zugangsvoraussetzungen vereinfacht und die staatliche Förderung verstärkt wurden. Kurzarbeit ist ein für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und die Arbeitslosenversicherung sinnvolles Instrument, um bei vorübergehendem Arbeitsausfall Entlassungen zu vermeiden. Sie hilft Unternehmen, den Verlust von wichtigen Fachkräften durch eine zeitlich überschaubare Krise zu verhindern und sichert damit Arbeitsplätze für eine gewisse Zeit. Daher kann das Kurzarbeitergeld als arbeitsmarktpolitische Unterstützung betriebsinterner Flexibilität in Bezug auf Löhne und Arbeitszeiten angesehen werden. Neben diesen positiven Effekten sind mit den beschlossenen Veränderungen aber auch Fehlanreize verbunden. Die konservierende Wirkung der Kurzarbeit auf die Beschäftigungsstruktur hemmt tendenziell den strukturellen Wandel der Wirtschaft, vor allem wenn Kurzarbeit über einen längeren Zeitraum gewährt wird und es zu einem vollständigen Ausfall der Arbeit kommt. Sobald eher strukturelle als konjunkturelle Faktoren für die Krise eines Unternehmens verantwortlich sind, behindert das Instrument eine nachhaltige Arbeitsmarktpolitik. Zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit sind eine schnellere Vermittlung und der Einsatz von Qualifizierung sinnvoller als die künstliche Aufrechterhaltung nicht mehr zukunftsfähiger Arbeitsplätze. Kurzarbeit, vor allem bei längerer Dauer, bedeutet nicht zuletzt eine starke Subventionierung von Branchen mit erheblichem strukturellem Anpassungsbedarf durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer anderer, ökonomisch erfolgreicherer Wirtschaftszweige. Die Kurzarbeit hat in der Krise also ihre Berechtigung – das Instrument darf jedoch nicht überstrapaziert und weiter ausgedehnt werden, etwa durch eine Verlängerung von 18 auf 24 Monate. Dies würde die Möglichkeit schaffen, bis zu vier Jahre Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld I zu beziehen - mit entsprechenden Hindernissen bei der Wiederbeschäftigung und einer weiteren Verstärkung der Quersubventionierung hin zu strukturell schrumpfenden Branchen. Auch sollte in der gegenwärtigen Krise nicht auf eine sorgfältige Prüfung der Anträge verzichtet werden, um Mitnahmeeffekte so gering wie möglich zu halten und im Hinblick auf die Durchführung sinnvoller Qualifizierungsmaßnahmen. Das politische Ziel, die registrierte Arbeitslosigkeit im Wahljahr gering zu halten, darf nicht dazu verführen, mithilfe der Kurzarbeit Unternehmen und ihren Mitarbeiter zu signalisieren, dass notwendige betriebliche Anpassungen und Arbeitsplatzwechsel vermeidbar seien.