Ein Mindestlohn mit fünf Fehlern

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06. April 2014, Welt am Sonntag

(Mit Stellungnahme von Alexander Spermann)

Die Regierung hat sich auf die konkrete Ausgestaltung der Lohnuntergrenze geeinigt. Es drohen noch mehr Jobverluste, als ohnehin zu befürchten war
 

[zur Online-Version vom 9. April 2014]

Auszüge aus der Printfassung:

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Es sind vor allem fünf Fehler, die dafür sorgen könnten, dass in den kommenden Jahren die Arbeitslosigkeit wieder deutlich steigt:

1. Das Alter: Für Jugendliche gilt der Mindestlohn erst ab 18 Jahren, wenn sie keinen Beruf erlernt haben. Begründung laut Gesetzentwurf: Damit werde "sichergestellt, dass der Mindestlohn keinen Anreiz setzt, zugunsten einer mit dem Mindestlohn vergüteten Beschäftigung auf eine Berufsausbildung zu verzichten". Doch um dies zu verhindern, so fürchten viele Experten, ist die Altersgrenze zu niedrig angesetzt. "Ausländische Erfahrungen legen eine Altersgrenze von 21 Jahren nahe", sagt Alexander Spermann vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn. Nun müsse im parlamentarischen Verfahren "nachjustiert" werden, fordert er. Außerdem, sagt Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, wäre es besser gewesen, bei jungen Erwerbstätigen den Anspruch stufenweise zu erhöhen: "Den Anspruch auf den vollen Mindestlohn mit dem 18. Geburtstag in einem Schritt einzuführen, ist riskant. Es schafft zumindest Anreize, dass Beschäftigte entlassen werden, sobald sie volljährig sind, weil 18-Jährige dann deutlich teurer sind für Arbeitgeber als 17-Jährige."

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5. Evaluation: Der ursprüngliche Referentenentwurf sah überhaupt keine wissenschaftliche Überprüfung der Auswirkungen des Mindestlohns vor, getreu dem Motto: Die Politik kann gar nicht irren. Dabei sind regelmäßige Kontrollen bei Gesetzen kein Novum. Die bestehenden Branchen-Mindestlöhne wie auch die Hartz-Reformen sind von verschiedenen Instituten umfassend evaluiert worden. Auch die familienpolitischen Leistungen werden wissenschaftlich überprüft. Und da soll der Mindestlohn für 3,7 Millionen Beschäftigte, ein "arbeitsmarktpolitisches Großexperiment" (IZA-Direktor Spermann), nicht auf seine Auswirkungen auf Wirtschaft und Beschäftigung untersucht werden? In der Wissenschaft gab es einen Aufschrei, und tatsächlich wurde der Referentenentwurf nachgebessert. Aber nur ein bisschen. Eine Evaluation ist zwar nun zwingend vorgesehen - aber erst für das Jahr 2020, also sehr spät. Denn dann ist der Mindestlohn schon fünf Jahre in Kraft. Bis dahin können schon Hunderttausende Arbeitsplätze ein für alle Mal vernichtet worden sein.


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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