Beschäftigungspotenziale im Niedriglohnbereich nutzen

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Bonn, 16.05.2002

Aktuelles IZA-Gutachten heute vorgestellt


Das IZA hat in einem heute vorgestellten Gutachten für die nordrhein-westfälische Landesregierung die Beschäftigungspotenziale im Niedriglohnbereich analysiert. Ausgangspunkt der Analyse war ein Modellvorschlag, der im Sinne eines dualen Konzepts eine Stimulierung sowohl der Angebots- als auch der Nachfrageseite des Arbeitsmarkts vorsieht. Insofern unterscheidet sich dieses Konzept von den derzeit in der Diskussion oder Erprobung befindlichen Kombilohnvorschlägen. Zum einen sollen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage durch eine Förderung der Beiträge zur Sozialversicherung erhöht werden. Zum anderen ist eine spezielle Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen in Form steuerlicher Begünstigungen vorgesehen.


Zu hohe Kosten einer Subvention von Sozialversicherungsbeiträgen

Die Studie des IZA kommt zu dem Ergebnis, dass eine Subvention der Sozialversicherungsbei-träge angesichts der geringen Beschäftigungseffekte und der vergleichsweise hohen Kosten nicht empfehlenswert ist. Zwar lässt sich je nach Ausgestaltung des Modells auf der Angebotsseite ein Partizipationseffekt von 37.000 bis 104.000 Personen erzielen. Auf der Nachfrageseite käme im günstigsten Fall eine zusätzliche Nachfrage nach 135.000 Personen zustande. Doch auch für den Fall, dass sich Angebot und Nachfrage in einer Größenordnung von rund 100.000 Personen treffen, ist das Ergebnis nicht befriedigend.

Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Förderung einen starken Teilzeitanreiz ausübt - Vollzeit-beschäftigte werden ihr Arbeitsangebot reduzieren, um in den Bereich der Förderung zu fallen. Auf diese Weise verringert sich das Arbeitsvolumen insgesamt, und es entstehen erhebliche Aus-fälle bei den Lohnsteuereinnahmen und den Sozialversicherungsbeiträgen.

Die jährlichen Gesamtkosten der Förderung auf beiden Marktseiten betragen 7,3 Mrd. €. Das sind Kosten pro neuem geschaffenen Arbeitsplatz in Höhe von jährlich 73.000 €. Selbst wenn darin noch positive volkswirtschaftliche Kreislaufeffekte der zusätzlichen Beschäftigung einzu-rechnen sind, dürften die Gesamtkosten enorm hoch sein. Aus ökonomischer Sicht ist die Förde-rung von Löhnen und Lohnkosten in Form einer Bezuschussung der Sozialversicherungsbeiträge ohne eine Zielgruppenbegrenzung deshalb nicht sinnvoll.


Haushaltsnahe Dienstleistungen fördern!

Ungleich günstiger fällt die Bewertung des Bereichs haushaltsnaher Dienstleistungen aus. Privathaushalte stellen in Deutschland eine noch unterentwickelte Quelle für legale Beschäftigung dar. Hier gelangt die IZA-Studie zu dem Ergebnis, dass schon eine moderate Bezuschussung der den nachfragenden Haushalten entstehenden Kosten von 10% eine zusätzliche Nachfragen von rund 350.000 Haushalten nach solchen Dienstleistungen erzeugt. Bei einer Förderung von 20% würden rund 745.000 Haushalte zusätzlich auf diesem Markt aktiv.

Das IZA empfiehlt, eine solche Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen flächendeckend zu realisieren. Sinnvoll wäre es, zu diesem Zweck bundesweit Dienstleistungsagenturen zu etablieren. Sie könnten Teilfirmen der reformierten Bundesanstalt für Arbeit sein, öffentlich geförderte Agenturen oder private Leihfirmen sein. Die neue Institution übernimmt die Prüfung, Registrierung und Vermittlung der Haushaltshilfen. Durch die Registrierung wird der Markt erfasst und organisiert. Bedarfsschwankungen, Fluktuationen, Urlaub und Krankheitsvertretungen lassen sich leichter regeln. Ein wesentlicher Vorteil einer Dienstleistungsagentur besteht darin, dass sie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse durch Vermittlung von mehreren Jobs an einzelne Arbeitnehmer in Vollzeitbeschäftigungen umwandeln kann.

Gelingt dies, und werden bislang Arbeitslose in diese Stellen vermittelt, kann es zu erheblichen Entlastungswirkungen kommen. Infolge wegfallender Arbeitslosenunterstützung und der Entrichtung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ist eine Entlastung in Höhe von 1,4 Mrd. € (10%-Förderung) bzw. 3,1 Mrd. € (20%-Förderung) zu erwarten, die annähernd den Umfang der notwendigen Bezuschussung erreicht. Als Beitrag zur Erschließung und Legalisierung eines Sektors, der bislang stark von schattenwirtschaftlichen Aktivitäten geprägt ist, kann die vorgeschlagene Maßnahme deshalb als sinnvoll angesehen werden.

Volltext des Gutachtens (pdf, 384kb)